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Europäisches Verbraucherzentrum Italien Büro Bozen
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08.06.2023

Unterwegs mit dem Zug: Was ändert sich mit der neuen Verordnung zu den Rechten und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr?

 
Am 7. Juni tritt die Verordnung (EU) 2021/782 in Kraft. Sie ersetzt die Verordnung (EU) 2007/1371 und regelt Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (relativo ai diritti e agli obblighi dei passeggeri nel trasporto ferroviario). Im Besonderen soll diese neue europäische Norm mehr Klarheit schaffen und somit Rechtsunsicherheiten vermeiden. Das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) hat die beiden Verordnungen verglichen und zeigt im Folgenden auf, welche Neuerungen den Rechtsberater:innen des EVZ dabei besonders aufgefallen sind.
Wer sich mit der Verordnung 782 von 2021 grundlegende Neuerungen erwartet hat, wird diese wohl nicht finden. Bereits in den Anfangsworten der Verordnung und in deren Absichtserklärung ist die Rede von einer Neufassung aus Gründen der Klarheit. Und diese Klarheit wird dadurch erreicht, indem man die bereits bestehenden Artikel ausführlicher gestaltet und weitere Punkte einfügt.
Hier nun ein kurzer Überblick:

Erstattung des Fahrpreises und Weiterreise:

Fahrgäste haben weiterhin das Recht, bei Verspätungen und Zugausfällen die Erstattung bzw. die Weiterreise garantiert zu bekommen. Für eine raschestmögliche Weiterreise sollte der Beförderer Sorge tragen.
NEU: Die neue Norm führt diesen Punkt noch weiter aus und betont einmal mehr den Grundsatz, dass den Fahrgästen keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen.
Falls der Beförderer sich nicht bereits damit einverstanden erklärt hat, wird eine Frist von 100 Minuten vorgesehen, deren Ablauf Fahrgäste dazu berechtigen, die Weiterreise auch mit einem anderen Anbieter öffentlicher Verkehrsdienste (Zug, Bus oder Reisebus) vorzunehmen und die Kosten zurückzufordern.

Entschädigung:

Fahrgäste haben weiterhin das Recht, bei Verspätungen von 60 Minuten oder mehr eine Entschädigung zu erhalten.
NEU: Bisher war eine solche Entschädigung ganz unabhängig von den Umständen, die dazu geführt haben, zu leisten. Dies ermöglichte zwar einerseits, anders als z. B. im Flugverkehr, dass der Beförderer diese Entschädigung niemals ausschließen konnte, führte aber dazu, dass es zu Rechtsunsicherheiten und Konflikten in der Einforderung der Rechte kam, dies in besonderer Weise in der außergerichtlichen Bearbeitung der Beschwerden wie z. B. bei Zugausfällen und -verspätungen wegen Streiks.
Mit der neuen Verordnung hat nun der europäische Gesetzgeber Klarheit geschaffen und jene Umstände, die nicht zu einer Entschädigung verpflichten, explizit genannt. Hierzu gehören extreme Witterungsbedingungen, große Naturkatastrophen und schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit genauso wie das Eigenverschulden des Fahrgastes und das Verhalten eines Dritten.
Streik des Personals wird ausdrücklich als entlastender Umstand ausgeschlossen. In diesem Fall ist demnach der Beförderer weiterhin zur Zahlung der Entschädigung verpflichtet.

Hilfeleistungen:

Bei Verspätungen von 60 oder mehr Minuten haben Fahrgäste Anrecht auf Hilfeleistungen in Form von Mahlzeiten, Erfrischungen und gegebenenfalls Unterbringung in einem Hotel.
NEU: Anders als in der Verordnung von 2007 wird die Dauer der Unterbringung in einem Hotel auf höchstens drei Nächte beschränkt, sofern die Verspätung oder der Ausfall auf höhere Gewalt zurückzuführen ist.

Durchgangsfahrkarten:

Hierbei handelt es sich um Fahrten, die einen oder mehrere Anschlüsse umfassen und die im Rahmen einer einzigen Buchung erworben wurden.
NEU: Während bisher nicht klar war, in welchem Rahmen solche Durchgangsfahrkarten in der Berechnung der Erstattung, Weiterreise und der Verspätungsentschädigung miteinbezogen werden, stellt die neue Norm die Regel auf, dass, wenn nicht anders und eindeutig mitgeteilt, für Reisen mit einem oder mehreren Anschlüssen diese folgenden Anschlussfahrkarten als Durchgangsfahrkarten gelten und somit automatisch in die Berechnung der Forderung einzubeziehen sind.
Neu hinzu kommt auch eine Verantwortung der Fahrkartenverkäufer oder Reiseveranstalter. Wenn diese Anbieter im Rahmen eines einzigen Vertrages mehrere Fahrkarten kombinieren, können sie auch für die Erstattung des bezahlten Gesamtbetrages zuzüglich einer Entschädigung haftbar gemacht werden.

Mitnahme von Fahrrädern:

Die Mitnahme von Fahrrädern ist erlaubt.
NEU: Während die alte Verordnung diesen Punkt in wenigen Zeilen abhandelt, legt die neue Verordnung ein besonderes Augenmerk auf das Recht der Zuggäste, ein Fahrrad mitführen zu können, es sei denn diese Möglichkeit muss aus Gründen der Sicherheit oder aus betrieblichen Gründen eingeschränkt werden. Weiters müssen neu eingesetzte Züge eine angemessene Anzahl von Fahrradstellplätzen bereitstellen.

Während die oben angeführten Punkte keine Neuerungen einführen, sondern bestehende Artikel im Detail ausführen und somit eine Interpretation der bisher strittigen Punkte liefern, finden sich in der neuen Verordnung auch einige Bestimmungen, die es vorher nicht gab. So zum Beispiel

Das Beschwerdeformular:

Ähnlich wie in anderen Bereichen des Verbraucherrechtes wird auch hier ein einheitliches Beschwerdeformular in Bezug auf die Erstattung des Fahrpreises sowie auf die Entschädigung eingeführt.
Hier sei erwähnt, dass, anders als in der alten Verordnung, der Gesetzgeber nun eine Reklamationsfrist von 3 Monaten für Verbraucher:innen vorsieht.

Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität:

Dem Abschnitt, der diesen Bereich regelt, wird in der neuen Verordnung sehr viel mehr Raum gegeben. Es wird versucht, den Zugang zum Schienenverkehr zu erleichtern und durch die Einführung, wenn auch nur kleinerer Änderungen, ein barrierefreies Reisen mit dem Zug zu erleichtern.
• die Möglichkeit eines persönlichen Begleiters und des Assistenzhundes ausdrücklich vorgesehen;
• die Vorankündigungsfrist, innerhalb welcher ein Hilfebedarf gemeldet werden muss, von 48 Stunden auf 24 Stunden reduziert;
• die Möglichkeit für Mitgliedstaaten geschaffen, verpflichtend vorzuschreiben, zentrale Anlaufstellen für Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität einzurichten.

Hier der Link zum Gesetzestext:

Es bleibt nun abzuwarten, ob sich die Änderungen der Verordnung 2021/782 in ihrer Anwendung als hilfreich und zum Vorteil der Verbraucher:innen erweisen.

Sollten auch Sie erlebt haben, dass bei einer Zugfahrt das ein oder andere schief gegangen ist, ist Ihnen das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ) Italien, auch in Zusammenarbeit mit den anderen EVZ des Netzwerkes der Europäischen Verbraucherzentren (ECC-Net), gern kostenlos bei der Lösungsfindung behilflich. Sie erreichen uns unter der Telefonnummer 0471/980939 sowie per E-Mail: info@euroconsumatori.org.

Bozen, 8. Juni 2023
Presse-Information

 

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